Gesund & Leben - Juli & August 2024

38 Sprache ist eine Schlüsselkompetenz. Liegt allerdings eine Sprachentwicklungsstörung vor, kann das weitreichende Folgen haben. ie meisten Eltern erinnern sich freudig an die ersten Laute ihres Babys. Silben wie „ma-ma-, ba-ba oder wau-wau“, die etwa ab dem siebten Lebensmonat zu hören sind, bleibenMüttern undVätern in Erinnerung. Im Allgemeinen bildet der erste Geburtstag eine Zäsur in der Sprachentwicklung. Das Kind beginnt zu sprechen. Ab eineinhalb Jahren verbindet es Wörter zu Zweiwortäußerungen, erste „Sätze“ entstehen. In dieser Phase kommt es zudem oft zu einer regelrechten Wortschatzexplosion. Mit drei Jahren erfolgt dann so richtig der Einstieg in die Grammatik, Kinder verwenden Artikel und das Zeitwort rückt im Satz an die richtige Position. Die frühe Sprachentwicklung zeigt von Kind zu Kind starke Unterschiede. SPRACHE IST LEBENSWICHTIG „Sprache hat eine entscheidende Funktion für das Lernen, schon ab dem Alter von zweieinhalb Jahren erfolgt Lernen großteils durch Sprache. Sprachliche Kompetenzen sind auch Grundlage für das Leseverständnis und somit Bildungsabschlüsse und Chancen in der Berufswelt. Sprache ist außerdem Grundlage für den sozialen Austausch und Beziehungen“, so der klinische Linguist Dr. Daniel Holzinger, Leiter des Zentrums für Kommunikation und Sprache am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Linz. Schließlich stehen sprachliche Kompetenzen auch mit der psychischen Gesundheit in Zusammenhang. Wer sich sprachlich schwertut, tendiert zu Rückzug, zu geringem Selbstwert oder drückt sich durch unangepasstes Verhalten aus. Nicht zuletzt brauchen Kinder „innere Sprache“, um Probleme im Kopf zu lösen und somit zur Unterstützung ihres Denkens. Wann aber liegt eine Verzögerung der Sprachentwicklung vor und wie können Eltern das erkennen? „Sichere Hinweise sind ab etwa zwei Jahren erkennbar. Ein Kind spricht in diesem Alter üblicherweise rund 150 Wörter. Kinder, die in diesem Alter noch weniger als 50 Wörter sprechen oder nicht imstande sind, zwei Wörter zu einer sinnvollen Einheit zu verbinden, bezeichnet man als ,Late Talker‘, das sind ungefähr 15 Prozent der Zweijährigen. Etwa die Hälfte von ihnen zeigt anhaltende sprachliche Schwierigkeiten, die ab dem Alter von drei Jahren als Sprachentwicklungsstörung bezeichnet werden“, weiß Holzinger. SPRACHSCREENINGS Zur Erkennung solcher sprachlichen Verzögerungen, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von selbst bessern, wurden unter Holzingers Leitung Screeningverfahren für zwei- und dreijährige D Wenn Kinder sprachlos bleiben Kinder entwickelt. Diese werden bereits durch die Mehrheit der Kinderärztinnen und -ärzte in Oberösterreich im Rahmen von Eltern-Kind-PassUntersuchungen eingesetzt. Über 80 Prozent der Kinder erlangen ein unauffälliges Ergebnis. Sehr stark auffällige Kinder (ca. drei Prozent) werden zur Entwicklungsdiagnostik ins Krankenhaus überwiesen, da dies in Zusammenhang mit umfassenderen Entwicklungsproblemen stehen kann. Eltern von Kindern mit einem moderat auffälligen Ergebnis (ca. 13 Prozent) werden beraten, wie sie den Familienalltag sprachförderlich gestalten können. So etwa erfahren die Eltern, wie sie auf ihr Kind eingehen, um es sprachlich zu fördern, wie man gemeinsam Bilderbücher ansieht und spielerisch zum Sprechen anregt. Denn „Kinder lernen das Sprechen nur durch Interaktion, indem man sich mit ihnen austauscht“, weiß Daniel Holzinger. Wesentlich dabei ist, dass die Kinder nicht unterrichtet, befragt und „abgeprüft“ werden, wie das oft üblich ist: Was ist das hier? Ist das eine Ente? Zeig mir den Dr. Daniel Holzinger, Leiter des Zentrums für Kommunikation und Sprache am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Linz „Kinder lernen das Sprechen nur durch Interaktion, indem man sich mit ihnen austauscht.“ ENTWICKLUNG

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